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ORTSGESCHEHEN

Lesermail zum Artikel: ''Dürfen wir nicht einer von euch sein?'

„Großer Geist, bewahre mich davor, über einen Menschen zu urteilen, ehe ich nicht eine Meile in seinen Mokassins gegangen bin.“
In dieser indianischen Weisheit steckt für mich die ganze Wahrheit, die es uns – sofern wir sie leben – ermöglichen würde, tolerant, offen und ohne Vorurteile zu sein. Leider überwiegen die Situationen, in den wir uns selbst die Kompetenz zuschreiben, ganz genau zu wissen, was den anderen ausmacht. Egal, wer diese/dieser andere sein mag.
Als die große Flüchtlingswelle ihre ersten Spitzen erreicht hat, war vielfach zu hören, wie denn die Flüchtlinge so seien, wie sie sich verhalten und was davon zu halten sei. Kaum einer, der ganz genau wusste, wie „der Flüchtling an sich“ so ist, hat jemals auch nur einmal mit einem Asylbewerber persönlich gesprochen und gefragt, was ihn/sie dazu bewogen hat, aus seinem/ihren Heimatland zu fliehen.
Umso mehr macht es mich froh, diese berührenden Zeilen zu lesen. Froh, weil ich mich über die große Offenheit des Verfassers freue und wir mehr über seine bewegende Geschichte erfahren dürfen.
Der Inhalt des Textes berührt mich zutiefst. Und manches davon beschämt mich: Hätte ich in seiner Lage auch die geistige und menschliche Größe, eine so differenzierte Sichtweise zu haben? Ich weiß nicht, ob ich selbst in der Lage wäre, getrennt von meiner Familie, nach einer traumatischen Flucht, ohne zu wissen, wie es hier für mich weitergeht und ohne die Hoffnung darauf, dass sich bald etwas ändert, die positiven Aspekte unter den aktuellen Gegebenheiten zu sehen und wertzuschätzen.
Der Verfasser des Textes hat uns viele Fragen gestellt. Diese Liste würde ich gerne fortsetzen:
Dürfen wir Zäune errichten? Dürfen wir so tun, als hätten wir hier in Deutschland/in Europa alleine das Recht auf ein sicheres Leben und materiellen Wohlstand? Dürfen wir die Flüchtlingskrise so weit von uns wegschieben, dass wir wieder ganz bequem zur Tagesordnung übergehen können und nicht darüber nachdenken müssen, wie es den Flüchtlingen in Idomeni und in der Türkei ergeht? Ist uns wirklich bewusst, was die Menschen, die aus ihrer Heimat fliehen, durchmachen? Wie sehr sie ihre Familien vermissen? Und doch gezwungen sind, diese zu verlassen, um eine Chance auf ein Leben in Sicherheit und Würde zu bekommen?
Natürlich weiß ich auch, dass die Thematik mehr als komplex ist und es nicht die eine Patentlösung dafür gibt, wie wir mit den Flüchtlingsströmen umgehen, wie wir erreichen, dass alle menschenwürdig versorgt werden können, wie wir Menschen aus anderen Ländern schnellstmöglich hier bei uns integrieren, wie wir als Nation und als Staatengemeinschaft dafür sorgen können, dass sich nach und nach die Bedingungen in den krisengeschüttelten Ländern ändern können und eine Flucht überflüssig werden lassen.
Aber als einzelner kann ich an meiner Einstellung feilen. Ich kann anfangen, unendlich dankbar zu sein für das sehr angenehme Leben, das uns unsere Heimat bietet. Und ich kann anfangen zu erkennen, dass hinter jedem Asylbewerber ein Mensch steht, der die gleichen Bedürfnisse hat wie wir.
Stefanie Malenke
 
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