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ORTSGESCHEHEN

Sparen, sparen, sparen - ein Echinger Mythos

In der aktuellen Haushaltsdebatte und ihren Randerscheinungen hat es heuer verstärkt kritische Randnotizen in der echinger-zeitung.de dazu gegeben. Um schiefen Blicken aus dem Rathaus zu entgegnen: das entspringt nun nicht einer internen Riemensberger-hau-drauf-Woche oder persönlichen Magenverstimmungen des Autors, sondern vielmehr der langjährigen Auseinandersetzung mit kommunalen Abläufen - und der großen Verwunderung, wie wenig in Eching politisch gedacht und diskutiert wird. Als Diskussionsbeitrag daher ein paar grundsätzliche Anmerkungen.
 
Wenn Sie in Ihrem eigenen privaten Haushalt sparen wollen, wo tun Sie das? Beim Geldausgeben oder beim Abheften der Kontoauszüge?
Eben.

Es ist die Crux der kommunalen Haushalte, dass Stadt- und Gemeinderäte das ganze Jahr über das Geld mit vollen Händen ausgeben, um Klientel zu bedienen, um Wähler zu ködern, weil der Bodenbelag doch so schön ist oder weil der Antragsteller doch wirklich so nett ist und so recht hat; und wenn dann bei der Etatberatung Kassensturz gemacht wird, dann, ja dann wird gespart. Aber so was von eisern.
So kommt's dann, dass unterm Jahr mal schnell ein vier- oder fünfstelliger Betrag für einen Zuschuss rausgehauen wird, wenn der wählerwirksam erscheint, und im Etat dann 500 Euro bei der Brotzeit vom Kindergartenausflug gespart.
Und gespart wird dann immer gerecht. Dem einen Verein werden 20 Prozent abgezwackt und dem anderen auch - dahinter kann man sich doch verstecken, gerechter geht's doch nicht. Bloß kann der eine Verein vielleicht schnell eine Gebührenerhöhung bei solventen Mitgliedern machen und hat das Geld dann wieder drin - und der andere knappst am Limit und ist mit den 20 Prozent Kürzung tot. Hoppla. Ja, es ist hart, wenn man gerecht sein muss. Härter wär's vielleicht nur, wenn man sich als Gemeinderat die Mühe machen würde, die Einzelfälle sachlich zu bewerten, und das Kreuz hätte, das auch zu vertreten.
Am einfachsten durch kommt man aber mit der bewährten Methode. Der Gemeinderat, der im März generös den Zuschuss für den Verein durchwinkt, dessen Vorstand geschlossen im Sitzungssaal zusieht, setzt im November einfach eine ernste Miene auf und erklärt, sparen ist bitter, und leider trifft es alle. Damit lieben (und wählen) ihn die, die das ganze Jahr über von den Wohltaten profitiert haben, und es lieben ihn jene, die's nur in der Zeitung lesen, weil er ja in ihrem Sinne so verantwortungsvoll spart. Schreien tun nur die, die gerupft werden, und die kann man leicht blossstellen, indem man sie als Egoisten schimpft.
Nun ja, cosi fan tutte, so machen's alle.
Aber man muss es deswegen nicht gut finden.

In Eching wird dieser strukturell groteske Ablauf noch durch einige Besonderheiten der politischen Debatte bereichert, die ihn auf völlig aberwitzige Bahnen lenken.
So gilt es seit dem Tag, an dem Josef Riemensberger ins Rathaus gekommen ist, als Fundamentalsatz, dass Eching problematische Finanzen habe. An dieser Einschätzung, zu der er sein kommunalpolitisches Gedankengut zusammengefasst hat, hat überraschenderweise auch der Umstand nichts geändert, dass er die Finanzen seit 13 Jahren gestaltet und verantwortet.
Zerrüttet, wie das hieß, als noch die Sozen dran waren, oder "strukturelles Defizit", so das Schlagwort 2011:
Eching nimmt im kommenden Jahr knapp 35 Millionen Euro ein. Das hört sich jetzt für den Laien nicht so dramatisch wenig an. An Städten und Gemeinden in vergleichbarerer Einwohnerzahl nahm 2010 beispielsweise Dorfen 20,3 Millionen Euro ein, die Kreisstadt Eichstätt 20,1 Mio., Nachbar Oberschleißheim 20,5 Mio., oder jenseits Oberbayerns Abensberg 22,3 Mio., Lappersdorf 15,9 Mio. oder Pegnitz 17,3 Mio. Da sollte man mit 35 Millionen vielleicht schon was anfangen können.

Die großen Sorgenkinder sind Bürgerhaus, Musikschule und ASZ, das klingt in jeder Ratsdebatte an, das ist das Credo von CSU-Sprecher Georg Bartl, das ist die Zielrichtung diverser Vorstöße der Freien Wähler, und das ist damit auch so ein unverrückbarer Fundamentalsatz. Immerhin verursachen diese drei Einrichtungen zusammen nach Angaben der Gemeindekämmerei ein jährliches Defizit von 1,8 Millionen Euro.
Damit zehren sie also sechs Prozent der Einnahmen auf (berechnet mit 30 Millionen Einnahmen in jenem Haushaltsabschnitt, aus dem sie auch finanziert werden). Ist es da so zwangsweise folgerichtig, über Jahre und ausschließlich die drei Häuser als Geldfresser abzuwerten? Oder könnte man vielleicht auch mal am Rande an die anderen 94 Prozent der Ausgaben denken?

Es ist erschütternd, wie initiativlos die Gemeinderäte jeglicher Coleur die von ihrem Bürgermeister ausgestreuten Ansichten wie wissenschaftliche Wahrheiten nachbeten.
Eine Umgehungsstraße Süd oder eine Erschließungsstraße West sind für Eching nicht finanzierbar. Noch nie wurde ausgerechnet, was sie denn kosten würden. Eine mal in dem Kontext Südumgehung geäußerte Zahl war acht Millionen. In den vergangenen beiden Jahren hat Eching mit acht Millionen Euro die Volksschule saniert, 2012 werden für Feuerwehrhaus und Kinderkrippe zusammen auch rund acht Millionen Euro bewegt. Hier soll nicht die Priorität dieser Maßnahmen kritisiert werden, ja nicht mal die Notwendigkeit einer Umgehungsstraße behauptet. Es geht nur um den weiteren Fundamentalsatz, dass Eching sich das nicht leisten könne, der ebenfalls völlig unreflektiert wiedergekäut wird.
 
Also nur mal einen winzigen Augenblick ins Unreine gedacht, dass eine Kommune, die um ganze Geldspeicher mehr als der Landesschnitt einnimmt, vielleicht nicht gar so klamm sein kann; dass Einrichtungen der allgemeinen Lebensqualität, die gerade sechs Prozent des Etats beanspruchen, eventuell doch nicht perverse Luxustempel sind; und dass ein Investitionsbedarf von über 20 Millionen Euro binnen weniger Haushaltsjahre ausschließlich durch die gehäufte Sanierung 30 Jahre alter Gebäude entstanden ist und daher nach menschlichem Ermessen erst in rund 30 Jahren wieder anfallen dürfte; alles das nur mal ganz ketzerisch angenommen - worin besteht dann die Dramatik des Echinger Finanzproblems gleich wieder? Eine akut nötige Überdehnung des Etats dadurch, dass Eching vor 40 Jahren explosionsartig gewachsen ist und heute alle die Gemeinbedarfseinrichtungen von damals in die Jahre kommen, rechtfertigt die das Kaputt"sparen" von Einrichtungen, die gewaltigen Einfluss auf Atmosphäre und Lebensqualität des Ortes besitzen?

Gespart werden "darf" am ASZ, natürlich, um auch so einen Fundamentalsatz der Debatte zu beantworten, genauso wie an der Musikschule und an den Vereinen, an den Kindergärten und den Straßenreperaturen, ja und sogar am Sitzungsgeld des Gemeinderates. Nur sollte es sachliche Gründe haben und nicht eine zweifelhafte Konsequenz sein aus noch zweifelhafteren Annahmen.
Wenn der Gemeinderat in breiter politischer Debatte am Ort und demokratischer Abstimmung entscheidet, im Bürgerhaus kein Kulturprogramm mehr anbieten zu wollen, in dem nicht gejodelt wird, dann sei das so. Irgendwer hat's eingeführt, irgendwer kann's auch wieder abschaffen, so funktioniert Demokratie.
Und wenn eine Gemeinderatsmehrheit für die Echinger Bürger lieber B-Klassen-Altersvorsorge umgesetzt haben möchte, ist das ebenso legitim, dafür geht man wählen.
Aber das muss sachliche Gründe haben und politisch so diskutiert und gewollt - und nicht, weil ein Ort mit 35 Millionen Euro Einnahmen finanzielle Probleme habe und eine Ausgabe von zwei Prozent des Etats (sechs Prozent durch drei Einrichtungen) als Luxus abgeschafft werden müsse.
 
(hierzu ist ein Lesermail eingegangen.)

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