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ORTSGESCHEHEN

Lesermail zum Artikel: 'SPD distanziert sich 'ausdrücklich' von Böhm'

Eine allgemeine Verständnisfrage an die SPD-Fraktion im Gemeinderat: Darf Ihrer Meinung nach ein Gemeinderatsmitglied Ihrer Partei seine Meinung nicht (mehr) öffentlich kundtun, ohne sich den vorherigen "Segen" seiner anderen Fraktionsmitglieder abzuholen?
Wenn er dies dennoch tut (wie offensichtlich bei Bertram Böhm geschehen), muss er seine Parteizugehörigkeit Ihrer Meinung nach dann öffentlich ausblenden (obwohl, wenn er dies täte, ohnehin jedermann/frau in Eching weiß, welches Parteibuch er hat)?
Wenn man den von Herrn Böhm verfassten Text einmal genau liest, wird man nirgendwo finden, dass er stellvertretend für alle anderen SPD-Mitglieder seine - zugegebenermaßen teils provokativen - Thesen veröffentlicht hat. Er hat sich doch nirgends im Sinne von "ich schreibe hier für die gesamte SPD-Fraktion im Echinger Gemeinderat...." geäussert, oder?
Welche Charaktere hätte die SPD denn lieber? Solche, die sich ihre persönliche, öffentlich artikulierte Meinung vorher stets von der Fraktionsführung "absegnen" lassen?
Ich persönlich finde es mutig von Herrn Böhm, dass er von seinem gesetzlich verbrieften Recht der freien Meinungsäußerung (Art. 5 Grundgesetz) Gebrauch macht, auch wenn er damit mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit bei Einigen aneckt. Selbstverständlich hat auch Herr Böhm (wie jedermann/frau, der/die sich im Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland befindet) die Grenzen der freien (politischen) Meinungsäußerung zu beachten, die sich sowohl aus Art. 5 GG, Satz 2, als auch aus Paragraph 188 StGB (üble Nachrede und Verleumdung gegen Personen des politischen Lebens) ergeben. Eine Verletzung dieses Straftatbestands erkenne ich bei ihm jedoch nicht, auch wenn ich persönlich z.B. seine Empfehlung, Herr Riemensberger "soll am Besten wieder seinen Acker bestellen", so öffentlich nicht artikuliert hätte. Aber das ist m.E. ausschließlich eine Stilfrage.
Selbstverständlich ist es das unbestrittene Recht der restlichen SPD-Fraktion, sich von Herrn Böhms Vorstoß öffentlich zu distanzieren. Ich persönlich befürchte allerdings, dass es in der Orts-SPD zu einem ähnlich gelagerten Fall kommen kann, wie es die Orts-CSU mit Herrn Migge, der auch einmal der CSU-Fraktion angehörte, schon erlebt hat. Es wäre m.E. schade, wenn die akzentuierte Meinungsäußerung von Herrn Böhm, die er offensichtlich ohne vorherige Absprache mit seinen Parteimitgliedern in die Öffentlichkeit getragen hat, zu einem innerparteilichen Zerwürfnis führen würde (das ist aber ein parteiinternes Problem der SPD).
Viel besser wäre es, wenn Herrn Böhms offener Brief an den Bürgermeister als Initialzündung zu einem breiten, öffentlichen Meinungsaustausch über die aktuell in Eching anstehenden Projekte, Sparbeschlüsse, Geldzuweisungen und mögliche Fehlentwicklungen angesehen würde. Und zwar parteiübergreifend. Nichts wäre für das Gemeinwohl in Eching schlimmer, als wenn jetzt nur noch "Jeder gegen Jeden" öffentlich schreibt bzw. spricht.
Allerdings habe ich großes Verständnis dafür, dass Herrn Böhm gerade "die Hutschnur geplatzt" ist und er Herrn Riemensberger öffentlich verbal angegriffen hat. Wie sonst hätte er erreicht, dass möglichst viele Echinger wissen, dass z.B. im Zweckverband "Hollerner See" offensichtlich einiges schief läuft bzw. schon lange schiefgelaufen ist. Oder bei den Planungen für das Neubaugebiet "Eching-West". Oder beim ASZ. Oder beim Neubau des Feuerwehrhauses. Wobei man fairerweise sagen muss, dass die bisherigen (Fehl-)entwicklungen und -entscheidungen um den Hollerner See (Planung einer Therme ohne die Einbindung der Echinger Bürger) auch vom SPD-Mitglied Edmund Conen sowie vom (mittlerweile fraktionslosen) Dieter Migge, die beide seit der Gründung des ZV "Hollerner See" (2004) diesem angehören, wohl mitgetragen wurden. Es wäre unfair, diese (Fehl-)Entwicklung ausschließlich Herrn Riemensberger anzulasten (wobei er als Echinger Bürgermeister und Sprecher des ZV m.E. die größte Bringschuld gegenüber den Echinger Bürgern hat).
Eine persönliche Bemerkung: Ich fände es unfair, wenn die SPD-Fraktion Herrn Böhm genau in diesem Punkt jetzt "im Regen stehen" ließe. Ich habe den subjektiven Eindruck, dass die SPD momentan selbst nicht weiß, ob sie für oder gegen den Bau einer Therme am Hollerner See sein soll: Frau Martin (Fraktionsvorsitzende der SPD) bekundete zwar vor zwei Jahren im ASZ vor großem Publikum, dass sie gegen die Therme sei, aber wer weiß denn, ob ihre Positionierung heute noch gilt? Von ihrem Parteikollegen und GR-Mitglied Conen, der (hoffentlich) bei den Sitzungen des Zweckverbandes regelmässig teilnimmt, erfährt die Echinger Bürgerschaft indes überhaupt nichts, was seine Position ist.
Oder gibt es in der SPD (oder im Zweckverband?) einen Maulkorb-Erlass? Oder geht Conen in die Sitzungen des ZV (wenn überhaupt?) einfach nur hin, weil´s dort vielleicht so lustig ist? In diesem Punkt muss sich die Orts-SPD ebenfalls mangelnde Transparenz vorwerfen lassen.
Also: "Rauft euch ´mal alle z´samm´", redet mehr mit- anstatt übereinander und versucht (auch im Gemeinderat), nach einem (vielleicht sogar notwendigen) Schlagabtausch wieder auf ein Niveau respektvollen Umgangs miteinander zurückzukehren.
Weder dem Gemeinderat noch den Echinger Bürgern insgesamt wäre - langfristig betrachtet - damit gedient, wenn jetzt eine Phase monatelanger kleinkarierter Streitereien zwischen den politischen Lagern und vielleicht sogar innerhalb einer Partei ausbrechen würde.
"Unser" Bürgermeister Josef Riemensberger muss die m.E. grundsätzlich berechtigte Kritik von Herrn Böhm schon aushalten können. Hoffentlich ist diese Kritik für ihn Anlass zur Selbstreflexion. Niemand erwartet Überirdisches vom Bürgermeister.
Über den Stil von Böhms´ Meinungsäusserung darf man geteilter Meinung sein. Wie eingangs schon gesagt: Ich persönlich habe großen Respekt vor dem Mut und der Zivilcourage von Bertram Böhm, abseits des "Mainstream" der SPD-Fraktion einmal klare Positionen öffentlich zu beziehen.
Guido Langenstück
 
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