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ORTSGESCHEHEN

Rostet der Garchinger Forschungsreaktor?

Einen Appell an das Rathaus, möglichen Sicherheitsmängeln am Garchinger Forschungsreaktor nachzugehen, hat Guido Langenstück verfasst. In einer detaillierten Darstellung, gerichtet an die Junge Union Bayern, beklagt der Maschinenbau- und Schweißfachingenieur aus Eching fortschreitende Korrosion am Reaktor. Die Gemeinde dürfe das Risiko nicht ignorieren.
Der offene Brief ans Rathaus im Wortlaut:

Sehr geehrter Herr Bürgermeister Riemensberger,
sehr geehrte Fraktionsvorsitzenden der Echinger Parteien (ausser der FDP),
ich möchte Sie auf diesem Wege über einen "ungesunden" Betriebszustand des nicht weit von Dietersheim und Eching befindlichen Forschungsreaktors FRM 2 der Technischen Universität (TU) München in Kenntnis setzen: Das Reaktorbecken des FRM 2 rostet massiv. Und zwar schon seit kurz nach der Inbetriebnahme des Forschungsreaktors im Jahr 2004.
Den gesamten Sachverhalt (mit entsprechenden Links) habe ich heute der Jungen Union Bayern auf deren Internet-Plattform mitgeteilt. Da man zunächst einen Account zum Lesen bei denen braucht, teile ich Ihnen meinen Beitrag im Forum JU Bayern (CSU) von heute mit:
Liebe Leute von der JU Bayern,
Ihr seid doch auch für die Hightech-Forschung in Bayern, oder? Die finde ich auch ganz wichtig. Einer der "Leuchttürme der Wissenschaft" (Originalzitat Edmund Stoiber) befindet sich auf dem Campus der TU München in Garching. Es ist die 2004 in Betrieb genommene Forschungs-Neutronenquelle "Heinz Meier-Leibnitz" (FRM 2), die von der TUM betrieben wird.
Nach aussen hört man nur, dass dort wissenschaftliche Spitzenergebnisse erzielt werden (z.B in Materialforschung, physikalische Grundlagenforschung (Stichwort: Positronen-Quelle), Tumortherapie, Siliziumdotierung usw.). Alles toll. Leider hat der FRM 2 ein Riesenproblem: Das Reaktorbecken mit all´seinen Einbauten rostet. Und zwar schon seit kurz nach der Inbetriebnahme. Und massiv.
Weil dieser starke Rost im Edelstahlbecken eigentlich überhaupt nicht vorkommen dürfte, wurde die Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (kurz: BAM) in Berlin von der FRM 2-Leitung im Juli 2006 beauftragt, ein Gutachten zu erstellen, dass a) klären sollte, ob es sich tatsächlich um Rost im Becken handelt und b) sollte die BAM Vorschläge zur Abhilfe unterbreiten. Das Gutachten der BAM steht im Internet: http://frm2.de/cms/upload/BAM_Rost_27.7.2006.pdf
Ergebnis: Ja, es ist tatsächlich Rost (vornehmer: Korrosionserscheinungen) und es wurde festgestellt, dass z.T. für den Einsatz im Reaktorbecken ungeeignete Werkstoffe verbaut wurden (konkret: Werkstoffe 1.4301 und 1.4303 ("unstabilisierte" Chrom-Nickel-Stähle; zu lesen im BAM-Gutachten auf den Seiten 3 und 16)). Diese minderwertigen Werkstoffe können schon beim Kontakt mit vollentsalztem Wasser rosten (sog. Lochfraßkorrosion).
Übrigens: Der "Hightech"-TÜV Süd hat beim Bau des FRM 2 diese ungeeigneten Werkstoffe freigegeben, was ein gravierender Fehler war, wie man sieht.
Übrigens: Ich habe dem alten und dem neuen bayerischen Umweltminister (Söder und Huber), die oberste "Atomaufseher" in Bayern waren bzw. sind, zu diesem Thema bei "abgeordnetenwatch.de" schon konkrete Fragen gestellt. Söder hat geantwortet (leider inhaltlich für mich unbefriedigend, siehe Söders Antwort vom 07.07.2011, Seite 10: http://www.abgeordnetenwatch.de/dr_markus_soeder-512-11312.html#questions). Dr. Marcel Huber hat jedoch leider noch nicht geantwortet (siehe meine Frage vom 12.02.2012 an ihn: http://www.abgeordnetenwatch.de/dr_marcel_huber-512-11230.html ).
Vielleicht könnt Ihr Marcel Huber dazu bewegen, meine Fragen an ihn (öffentlich) zu beantworten. Andere Fragensteller haben von ihm bisher ebenfalls noch keine Rückmeldung erhalten. Glaubwürdige Politiker sehen für mich anders aus.
Tja, liebe Freunde von der JU Bayern: Zwischen Anspruch und Wirklichkeit von wegen "Hightech-Standort Bayern" und "Laptop und Lederhosen" klafft m.E., zumindest zum Teil, ein deutliches Delta.
Übrigens: Es gibt in Deutschland kein Reaktorbecken irgendeiner anderen kerntechnischen Anlage (egal, ob Leistungs- oder Forschungsreaktor), die so vergammelt aussieht wie der FRM 2 in Garching. Ihr könnt ja ´mal ´ne große Rundtour durch verschiedenen Anlagen in Deutschland machen und dann den FRM 2 von innen besichtigen (am Besten direkt ans Reaktorbecken gehen).
Und: Ich finde es zutiefst unredlich, dass sowohl die TUM als auch die Aufsichtsbehörde, das bayerische Umweltministerium (Abteilung 9), die Korrosionsproblematik bis heute bagatellisiert. Fragt doch ´mal den technischen Leiter des FRM 2, Herrn Dr. Anton Kastenmüller, oder den Referatsleiter im Umweltministerium, Prof. Dr.-Ing. Albert Göttle, ob der Rost im Reaktorbecken des FRM 2 mittlerweile beseitigt wurde und ob die Komponenten aus den von der BAM als ungeeignet festgestellten Werkstoffen schon ausgetauscht wurden.
Zur Beruhigung: Zu einer Kernschmelze wie in Fukushima oder Tschernobyl kann es - systembedingt - in Garching nicht kommen. Aber zum Versagen sicherheitsrelevanter Komponenten und Aggregate m.E. durchaus. Das Umweltinstitut München hat auch schon seine Einschätzung dazu abgegeben: http://frm2.de/cms/upload/Stadtgespr_Rost_im_Reaktor_Juli_11_00000.pdf .
Und: Es gab beim FRM 2 schon mehrere sog. "meldepflichtige Ereignisse" wegen Korrosion, welche, weil es gesetzlich vorgeschrieben ist, auf der Internetseite des Umweltministeriums veröffentlicht wurden: http://www.bfs.de/de/kerntechnik/ereignisse/berichte_meldepflichtige_ereignisse/jb_kf_2009.pdf (13.05. und 30.07.2009, Kap. 3.1) sowie das neueste "Ereignis" aus dem Jahr 2011 auf der Seite des bayerischen Umweltministeriums: http://www.stmug.bayern.de/umwelt/reaktorsicherheit/meldepflicht/meldx.php?ID=AAelx0%2ByFXPgGw4rYnUTAg%3D%3D.
So, jetzt seid Ihr am Zuge, was die Aufklärung der Öffentlichkeit über Umweltrisiken in Bayern betrifft.
Hinweis: Ich kenne den FRM 2 recht gut, weil ich von März 2002 bis Dezember 2007 dort (als Maschinenbau-Ingenieur) gearbeitet habe.
Ach ja, noch etwas: Wenn Ihr ´mal nach Garching zum FRM 2 fahrt, bestellt dem Toni Kastenmüller bitte schöne Grüße von mir, Dipl.-Ing. (FH)/Schweißfachingenieur (IIW) Guido Langenstück.
Fazit: Es ist m.E. nicht völlig auszuschließen, dass aufgrund der (leider bis heute nicht beseitigten) Korrosion und deren Ursachen im Reaktorbecken des FRM 2 sicherheitsrelevante Komponenten - früher oder später - versagen können (z.B. Kühlpumpen, Rückschlagklappen, Schnellabschaltstäbe).
Da insbesondere der Echinger Ortsteil Dietersheim sehr nah am FRM 2 liegt (ca. 1,5 km Luftlinie), sollte von den in Eching Verantwortlichen ein atypischer, möglicherweise sogar gefährlicher Betriebszustand des "neuen" Reaktors in Garching nicht toleriert werden. Kommt es einmal zu kritischen Betriebszuständen (die gab es schon, siehe http://www.bfs.de/de/kerntechnik/ereignisse/berichte_meldepflichtige_ereignisse/jb_kf_2005.pdf (Seite 12, Ereignis am 24.06.05) und am 25.08.06 http://www.bfs.de/de/kerntechnik/ereignisse/berichte_meldepflichtige_ereignisse/jb_kf_2006.pdf (Seite 12)), muss die sog. Reaktor-Schnellabschaltung (RESA) 100%-ig funktionieren.
Da werden dann 4 Stäbe, die die Neutronen des Brennelements einfangen, "heruntergeschossen", so dass die Kernspaltung unterbrochen wird. Wer garantiert, dass eine erforderliche RESA bei fortschreitender Korrosion im Reaktorbecken - langfristig betrachtet - einwandfrei auslöst?
Übrigens: Erhöhte Strahlung im Reaktor wird über den Abluftkamin, der gut sichtbar neben dem neuen Reaktorgebäude steht, in die Umwelt "geblasen". Je nach Windrichtung zieht der "Fallout" dann Richtung Dietersheim oder Eching.
Es wäre m.E. dringend geboten, dass dieses - leider unangenehme - Thema von der Gemeindeverwaltung sowie den Fraktionen im Gemeinderat ernst genommen wird, zumal in Dietersheim bald eine Neubausiedlung (in Richtung Garching) entsteht, in der dann wahrscheinlich ca. (oder über?) 1000 "Neubürger" leben.
Mit freundlichen Grüßen aus der Nelly-Sachs-Straße
Guido Langenstück

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